2020-03-06

#rp20-Sprecherinnen Ise Bosch und Claudia Bollwinkel – Transformative Philanthropie braucht Vertrauen

Portrait Ise Bosch und Claudia Bollwinkel

Ise Bosch engagiert sich mit ihrem Wissen, ihrem Vermögen und den damit verbundenen Privilegien für internationale Menschenrechte, Frauen sowie für geschlechtliche und sexuelle Diversität. Als Spendenaktivistin bedient sie diverse Facetten der Philanthropie, als Netzwerkerin bringt sie Menschen zusammen, als Lobbyistin schafft sie Strukturen und Analysen für eine transparente und transformative Art des Gebens. Claudia Bollwinkel ist Senior Program Advisor der Dreilinden gGmbH. Sie wirkte lange Jahre im Vorstand von Prospera – The international Network of Women’s Funds. Als Programmmanagerin von filia.die frauenstiftung baute sie den ersten Mädchenbeirat einer deutschen Stiftung mit auf.

Gemeinsam mit Justus Eisfeld veröffentlichten Claudia Bollwinkel und Ise Bosch 2018 „Geben mit Vertrauen – wie Philanthropie transformativ wird“. Das Buch reflektiert die Fördermethode der von Ise Bosch gegründeten Dreilinden gGmbH und zeigt anhand autobiografischer und evaluativer Beiträge die positive Wirkung von vertrauensvollem Geben auf die internationale LSBTI-Menschenrechtsarbeit.  


ASAP – 3 Fragen an … Ise Bosch und Claudia Bollwinkel

Worauf kommt es euch bei eurer gemeinsamen Arbeit an? 
Claudia: „Ise, du bist seit mehr als 20 Jahren Spendenaktivistin. Du benutzt Geld, um gesellschaftliche Strukturen zu verändern. Worauf kommt es dir dabei an?“

Ise: „Die Devise ist 'Change, not Charity'. Nur Geld weitergeben allein reicht nicht. Wir müssen auch die damit verbundenen Privilegien teilen. Ich will auch die Macht, die mit dem Geld verbunden ist, weitergeben. Du bist ja auch schon lange in Sachen Social Justice Philanthropie unterwegs - was bedeutet für dich Transformative Philanthropie?“

Claudia: „Transformative Philanthropie bedeutet für mich, dass WIE wir etwas tun genauso wichtig ist wie WAS wir tun. Ich suche immer Wege, wie die Arbeitsweise den Werten entsprechen kann.“

Ganz im Sinne des diesjährigen Mottos „ASAP“: welche Themen sind für euch persönlich die aktuell dringendsten?
Ise: „Für mich ist Vertrauen das zentrale Stichwort. Wir vertrauen konkret in die Fähigkeit unserer Förderpartner*innen, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Entscheidungen zu treffen und dementsprechend das Geld nach ihrem Verständnis zu nutzen. Ich stärke gezielt Organisationen, in denen die Betroffenen selbst eine starke Stimme erhalten, um auf diesem Wege strukturell Partizipation und Entscheidungsbefugnisse zu sichern – das sind u.a. Astraea Lesbian Foundation for Justice und filia.die frauenstiftung. Mit der Dreilinden gGmbH unterstütze ich die gesellschaftliche Akzeptanz von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt, das heißt Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität, Geschlechtsmerkmale und Geschichtsausdruck sowie Frauen und Mädchen. Du hast ja für unser Buch die Wirkung von Dreilinden untersucht. Was denkst du macht diese Arbeit besonders?

Claudia: „Für mich bedeutet diese Art des Förderns eine Möglichkeit, aus dem strengen System des philanthropischen Sektors auszusteigen, das durch Bürokratie und Auflagen auf Kontrolle basiert und Privilegien sichert. Und es führt zu einem entscheidenden Punkt: den Menschen und ihren Bedürfnissen zuzuhören.“

Über welches Thema sprecht ihr auf der #rp20?
Claudia: „Ich möchte auf der #rp20 davon erzählen, wie sich unser Ansatz des Vertrauens konkret auswirkt, und was unsere Partner*innen in der Welt und im Netz bewegen.“ 

Ise: „Ich möchte das Päckchen „Strukturwandel-Nachhaltigkeit /ASAP“ aufschnüren und neu verschnüren. Mich treibt die Frage um, wie wir bei der gebotenen Eile die Prozess-Qualität halten können, oder sie gar verbessern können. Wie wir schnell mehr Vertrauen lernen und Methoden entwickeln, um uns und allen mehr und Neues zutrauen. Und zu verstehen, was Vertrauen überhaupt ist und wo es herkommt. Gerade diejenigen, die Macht haben, müssen lernen, diese Macht zu teilen und auf andere zuzugehen. Es geht nicht nur um Vertrauen in Andere, sondern auch um Selbstvertrauen. Also im Grunde bewegt mich die Frage, wie wir es schaffen, persönliche und institutionelle Komfortzonen zu verlassen.“